Interview mit Prof. Christian Ulrichs von CUBES Circle
28.10.2024
Was genau macht ihr bei CUBES Circle?
Wir entwickeln ein nachhaltiges Agrarsystem, das verschiedene intensive agrarische Systeme miteinander verknüpft, um Ressourcen effizient zu nutzen. Der kleinste Baustein unseres Systems ist ein modularer Container im Schiffscontainer-Format, der flexibel und skalierbar eingesetzt werden kann. Ein weiteres Ziel ist es, durch innovative Anreicherung von Inhaltsstoffen besonders gesunde Produkte zu produzieren.
Was ist das Besondere an CUBES Cirlce?
Ein zentraler Bestandteil unseres Konzepts ist die räumliche Zusammenführung verschiedener Produktionsprozesse, wie etwa Fischzucht und Pflanzenanbau. Diese räumliche Nähe ermöglicht es uns, Wasser und Nährstoffe effizient zu recyceln, was sowohl Energie spart als auch die Nachhaltigkeit erhöht. Um die Ressourcen noch gezielter einzusetzen, haben wir eine Anlage zur ionenselektiven Nährstoffmessung entwickelt, die uns erlaubt, nur die tatsächlich benötigten Nährstoffe zuzuführen.
Kannst du uns die Arten nennen, mit denen ihr zurzeit arbeitet?
Derzeit testen wir unterschiedliche Pflanzenarten, um die optimale Kombination für unser System zu finden. Dabei orientieren wir uns an der Natur, die eine große Vielfalt und Flexibilität bietet. Einige Pflanzen, wie die Tomate, zeigen positive Wechselwirkungen mit der Fischzucht, während sie aber nicht mit allen Insektenarten verträglich sind, was uns dazu veranlasst, weitere Anpassungen vorzunehmen.
Wir haben ein breites Spektrum an Pflanzen als Primärproduzenten in unserem System. Begonnen haben wir mit Tomaten, aber auch Paprika und klassische Kohlgemüse gehören dazu, da wir hier intensiv an der Anreicherung von Inhaltsstoffen arbeiten. Wir testen zudem eine Leguminose, wobei noch nicht sicher ist, welche Art wir verwenden werden. In unseren Versuchen haben wir bereits Erdbeeren getestet, und sogar Hanf, jedoch nicht als Rauschmittel, sondern wegen des hohen Proteingehalts.
Unsere Modellart bei den Insekten ist die Schwarze Soldatenfliege, da sie gut untersucht ist und eine zuverlässige Lieferkette bietet. Wir fokussieren uns auf die Aufzucht der Larven, führen aber nicht den gesamten Lebenszyklus durch, da die Fliege selbst für uns nicht relevant ist. Wir haben aber auch schon Versuche mit der Wüstenheuschrecke durchgeführt, die sich beispielsweise gut für die Reststoffe aus der Tomatenproduktion eignet. Darüber hinaus testen wir noch zwei oder drei weitere Insektenarten.
Bei den Fischen konzentrieren wir uns derzeit auf den Afrikanischen Raubwels (Clarias gariepinus). Wir haben verschiedene Ernährungstypen getestet, darunter Omnivore, Herbivore und Karnivore, und Clarias ist aktuell unser Hauptfokus. Allerdings testen wir derzeit auch eine weitere Fischart, den Jadebarsch (Scortum barcoo).
Mit diesen Arten betreiben wir unseren Kreislauf zunächst, haben jedoch festgestellt, dass dies nicht so einfach ist wie gedacht. Verschiedene Zwischenschritte sind notwendig: Das Wasser muss mithilfe von Bakterienfiltern aufbereitet werden, damit die Nährstoffe für die Pflanzen verfügbar werden. Die Pflanzensubstrate müssen wir auch für die Schwarze Soldatenfliege aufbereiten, z. B. durch eine zusätzliche Pilzebene. Bei den Fischen ist es einfacher, da viele Fischreste wiederverwendet und als Nährstoffquelle eingebracht werden können.
Wieviel Prozent Insektenmehl kann ins Fischfutter?
Wir können keine pauschale Aussage treffen, da vieles davon abhängt, wie die anderen Komponenten im System gestaltet sind. Beim Fischfutter kaufen wir immer eine Kohlenstoffquelle hinzu. Derzeit nutzen wir ein kostengünstiges Abfallprodukt aus der Geflügelindustrie, das sich als guter Ersatz für konventionelles Fischfutter bewährt hat und gleichzeitig zur Nachhaltigkeit beiträgt. Wir prüfen kontinuierlich, wie viel davon wir durch andere Materialien ersetzen können.
Wir verstehen uns als ein System, das in seine Umgebung eingebettet ist, insbesondere im urbanen Raum. Daher möchten wir unser Produktionssystem an die Stoffströme aus der Umgebung anpassen. Gleichzeitig stehen wir im Austausch mit der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft und der NASA. Diese zeigen Interesse daran, unsere Ansätze langfristig für isolierte Umgebungen, wie z. B. eine Marsmission, zu nutzen. Obwohl wir uns selbst noch nicht in diesem Extrem sehen, verfolgen wir die Vision, unser System weiterzuentwickeln.
Inwiefern arbeitet ihr wirtschaftlich transformativ weiter und wo steht ihr gerade?
Wir arbeiten mit verschiedenen Industriepartnern zusammen, die unser Projekt von Anfang an unterstützt haben. Diese Partner stehen dem Innovationspotenzial offen gegenüber, zögern jedoch, es vollständig umzusetzen, da noch offene wissenschaftliche Fragestellungen bestehen. Unser Projekt ist auf eine längere Laufzeit als die bisherigen fünf Jahre ausgelegt. In dieser Zeit haben wir bereits viel erreicht, aber können noch nicht die angestrebte Wirtschaftlichkeit genau beziffern.
Aktuell stehen wir in Gesprächen mit einem Standortbetreiber im Umland von Berlin, der sich vorstellen kann, unser Konzept umzusetzen. Mit diesem Partner führen wir derzeit eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durch und skalieren unser System modular, um es in einem Businessplan darstellen zu können. Zudem arbeiten wir mit verschiedenen Forschungsgruppen zusammen, darunter die Technische Universität Berlin, wo Studierende in Masterarbeiten und Promotionen die wirtschaftlichen Aspekte einzelner Komponenten untersuchen.
Es gibt bereits eine Ausgründung aus der ersten Projektphase, die sich jedoch ausschließlich auf den Insektenbereich konzentriert und nicht in Deutschland ansässig ist.
Nun steht also die erste CUBES Circle-Produktionsanlage auf dem HU-Gelände? Was ist seitdem passiert?
Das Richtfest für unser Projekt fand vor etwa einem Jahr statt, nach einer Bauzeit von etwa 4,5 Jahren. Diese lange Dauer ist teilweise durch die Corona-Pandemie und die Komplexität des Bauvorhabens bedingt. Wichtig ist zu betonen, dass unser Gebäude nicht nur ein gewöhnlicher Forschungsort ist, sondern selbst Teil der Forschung. Die Entwicklung des Gebäudes war ein kontinuierlicher Forschungsprozess, da es weltweit einzigartig ist. Jede Leitung und jede Komponente mussten neu konzipiert werden, was sehr herausfordernd war.
Vor einem halben Jahr haben wir die ersten Tomaten angepflanzt, aber momentan sind keine zu sehen, da wir aufgrund eines neuen Versuches und zur Vermeidung von Kontaminationen alles gründlich gereinigt haben. Neue Tomaten sind bereits bestellt, und wir planen, auch im Winter zu produzieren, was eine besondere Herausforderung darstellt. Während viele Gewächshäuser in Deutschland im Winter nicht produzieren, wollen wir unsere Produktion fortsetzen.
In drei Wochen werden weitere Pflanzen in einem separaten Gewächshaus hinzukommen. Unser System besteht aus zwei Bereichen: einem Produktions- und einem Experimentierbereich. Bei den Pflanzen haben wir diese Bereiche räumlich getrennt; bei den Insekten finden die Experimente in einem anderen Gebäude statt, während die Produktion vor Ort ist. Die Experimente mit den Fischen werden am IGB durchgeführt, während die Produktion hier stattfindet.
Was plant ihr in Zukunft?
Wir wollen über Laborwerte hinauszugehen und auch die Verkostung unserer Lebensmittel ernsthaft in Betracht ziehen. Deshalb haben wir eine Partnerschaft mit der TU München in der zweiten Phase etabliert, um die Verkostung durchzuführen. Diese Zusammenarbeit ist für uns besonders wertvoll, da wir so nicht nur Laboranalysen, sondern auch praktische Geschmackstests in unsere Forschung einbeziehen.
Ein wichtiger Aspekt, den wir stärker in den Vordergrund stellen, ist der Bereich der Pilze. In unserem Kreislaufsystem fehlt häufig die Destruenten Ebene, die für den Abbau und die Zersetzung von organischem Material zuständig ist. Während wir keine speziellen Module für Pilze entwickeln, integrieren wir sie in unser System, um diese wichtige Funktion zu berücksichtigen und zu optimieren.
Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit?
Als Biologe finde ich es besonders faszinierend, wie unser Projekt die Agrarbranche beeinflusst. Es beeindruckt mich, wie unsere VR-Partner die Modellierung und Visualisierung komplexer Zusammenhänge vorantreiben, um die Lehre und das Verständnis komplexer Problematiken zu verbessern. Die Begeisterung und das Interesse, das wir von Besuchern und Partnern erleben, sind ein Highlight für uns. Momentan arbeiten wir noch an der Integration von Kameratechnologie und einem entsprechendem Datenschutzkonzept, aber sobald diese Systeme laufen, wird das Projekt noch beeindruckender für Besuchergruppen sein.