food4future bei re:publica campus

„Alternative nachhaltige Nahrungsquellen – (Umbrüche im) Ernährungssystem in Extremsituationen“

24.09.2020
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Am 22. September waren Susanne Baldermann und Tilman Brück vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) bei der Online-Konferenz-Reihe „re:publica campus“ eingeladen. In der Themenwoche „Über:Leben“ widmete man sich dabei den großen Herausforderungen unserer Zeit. Carla Ulrich von „Slow Food Youth“ moderierte die digitale Gesprächsrunde. Sie wollte wissen: Warum arbeitet das Projekt food4future mit den Extremszenarien „No Land“ und „No Trade“? Und sind die Lösungen, die sich aus diesen Szenarien heraus entwickeln, auch wirklich nachhaltig?

Tilman Brück erläuterte zunächst die Treiber, die die Forscher*innen zu dem Extremszenario „No Trade“ bewogen haben: zum einen umweltpolitische Maßnahmen wie die Ökosteuer, die heutzutage diskutiert werden und Transportwege teurer machen könnten, aber auch der erstarkende Nationalismus in vielen Ländern, der sich gegen die Freizügigkeit von Waren und Arbeitskraft stellt. In einem „No Trade-Szenario“ würden wohl viele Lebensmittel teurer werden – bestimmte Formen der Ernährung könnten hier vielmehr als jetzt schon Ausdruck der Identität bzw. des Status von Eliten sein und zu verstärkten gesellschaftlichen Konflikten führen. Dieses auf Abschottung basierte Szenario sah auch das Publikum bei re:publica campus, das sowohl vor Ort als auch online die Diskussion verfolgte, als problematisch an, da man sich fragte, wie ärmere Länder mit den dann fehlenden Absatzmärkten zurechtkommen würden. Tilman Brück betonte, dass die Szenarien bewusst überspitzt gedacht wurden, dass es aber wichtig ist, problematische Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren, und, wenn diese nicht abgewendet werden könnten, Lösungen für den Umgang mit ihnen zu finden.

Auch das „No Land-Szenario“ basiert auf drastischen, vor allem klimatische Veränderungen, die neue Lösungswege erfordern: Die Weltbevölkerung wächst und zudem verringern Extremwetterlagen wie Dürren die Verfügbarkeit fruchtbaren Ackerlands und Trinkwasserressourcen. Susanne Baldermann erklärte, warum man sich deswegen für Makroalgen, Halophyten (Salzpflanzen), Quallen und Grillen als alternative Organismen für die Nahrungsmittelproduktion entschieden hat. Diese können platzsparend in den Städten und mit Einsatz von Salzwasser angebaut werden. Aber auch Grundnahrungsmittel wie Mais haben das Potenzial, in Indoor-Kulturen angebaut zu werden.

Aber sind Innovationen, die aus der Annahme solcher Extremszenarien entstehen, am Ende auch wirklich gesund und nachhaltig? Susanne Baldermann versicherte, dass beispielsweise Makroalgen sehr nährstoffreich seien und eine gute Nahrungsquelle darstellen können. Manche Algenarten verfügen sogar über einen Eiweißgehalt vergleichbar dem von Fleisch. Tilman Brück sieht ebenso das Potenzial in urbanen Anbausystemen. Wenn etwa Salate und Kräuter in privaten Haushalten selbst angebaut werden, fallen Transportwege komplett weg. Allerdings stecke der Teufel im Detail: Solche Anbaumethoden könnte je nach Stromverbrauch in manchen Fällen auch eine negative Bilanz haben. Insgesamt sei es jedoch noch zu früh, konkrete Nachhaltigkeitsbilanzen aufzustellen, da sich das Projekt noch am Anfang befinde und zunächst die Frage geklärt werden müsse, welche Organismen sich unter welchen Bedingungen kultivieren lassen.