Nachhaltigkeit in Agrarlandschaften messbar machen

08.11.2022
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Nahleen Lemke ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und Projektmanagerin des Konsortiums DAKIS von
Nahleen Lemke ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und Projektmanagerin des Konsortiums DAKIS von "Agrarsysteme der Zukunft". ©Julia Liduaer/ZALF

Im Konsortium DAKIS von „Agrarsysteme der Zukunft“ arbeiten insgesamt über 50 Projektbeteiligte aus zehn Institutionen an einem digitalen Wissens- und Informationssystem für die Landwirtschaft, kurz DAKIS. Projektmanagerin Nahleen Lemke vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) erklärt im Interview, wie das DAKIS den Herausforderungen durch den Klimawandel begegnen soll.

Auf welche Herausforderungen durch den Klimawandel reagiert die Forschung Ihres Konsortiums?

Lemke: Unser Ziel ist es landwirtschaftliche Systeme an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Überdüngung und Bodenerosion, Monokulturen und Artensterben sind nur einige der Problemfelder, mit denen wir es in der Landwirtschaft aktuell zu tun haben. Und all diese Probleme werden durch den Klimawandel und die Extremwetterereignisse, die dadurch häufiger auftreten, noch verschärft.

Gleichzeitig wissen wir alle, dass die Landwirtschaft nicht nur von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist, sondern auch stark zum Klimawandel beiträgt. Wir müssen insbesondere die Treibhausgas-Emissionen verringern.

Wie sieht die Lösung aus, an der Ihr Konsortium forscht?

Wir wollen eine digitale und wissensbasierte Landwirtschaft ermöglichen, die die Ziele des Umwelt- und Klimaschutz mit Ernährungssicherung und stabilen Einkommen der Produzent*innen in Einklang bringt.

Dafür entwickeln wir ein digitales Tool namens „DAKIS“, das Landwirt*innen bei ihren Entscheidungen unterstützt. In einem ersten Schritt haben wir mit Akteur*innen aus der Landwirtschaft, der Wirtschaft, der Politik und der Forschung eine Vision für die Landwirtschaft im Jahr 2050 entwickelt. Dann haben wir gefragt: Welche Anforderungen gibt es an ein technisches Tool, das den Weg dahin ebnet? Wir haben festgestellt, dass existierende Systeme zur Entscheidungsunterstützung agrarökologische Faktoren wie beispielsweise Erosionsschutz, Klima- und Wasserregulierung oder Kohlenstoffspeicherung nicht berücksichtigen. Das wollen wir mit DAKIS ändern, indem das System solche Daten einbezieht. Sie werden beispielsweise von intelligenten Sensoren im Boden oder von Satelliten bereitgestellt. Auf Basis dieser Daten und von Modellen schlägt das DAKIS konkrete Handlungsoptionen vor.

Mithilfe von agrarökonomischen Berechnungen soll die DAKIS-Software auch die wirtschaftlichen Effekte von Maßnahmen im Landwirtschaftsbetrieb beziffern: Was würde es beispielsweise bedeuten, eine Hecke als langfristiges Element in eine Agrarlandschaft zu integrieren? Oder eine kleinteilige Bewirtschaftung mit einer entsprechenden Fruchtfolge umzusetzen?

Das DAKIS hilft Landwirt*innen auch ganz grundsätzlich, die sehr komplexen Informationen zu verarbeiten, mit denen wir es in der modernen Landwirtschaft immer zu tun haben. Die Anwendung kann zum Beispiel je nach Bedarf sich schnell ändernde Marktpreise, Subventionen und langfristig auch Kohlenstoffzertifikate berücksichtigen.

Von welchen gesellschaftlichen Faktoren hängt es ab, ob diese Lösung funktioniert? Was muss sich politisch und gesellschaftlich tun?

Wir sehen im Moment noch einen ganz starken Fokus auf eine produktionsorientierte Landwirtschaft. Die Landwirt*innen, die wir in unseren partizipativen Prozess einbezogen haben, verstehen sich zwar selbstverständlich als „Stewards of Land“ – also als Landbewirtschafter*innen, die die natürlichen Ressourcen langfristig erhalten wollen. Was aber politisch nicht gefördert wird, ist schwer betriebswirtschaftlich sinnvoll in die Praxis umzusetzen. Wir brauchen hier gezielte Förderinstrumente im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU sowie auf nationaler Ebene.

Das DAKIS soll zukünftig außerdem nicht nur von Landwirt*innen eingesetzt werden, sondern von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren, die Agrarlandschaften nachhaltig mitgestalten möchten. Dafür müssen zum Beispiel Politik und Industrie ihre Bereitschaft signalisieren.

Wie werden die Ergebnisse Ihrer Forschung den Alltag der Menschen verändern?

Wir wissen, dass Verbraucher*innen schon heute bereit sind für Agrarprodukte, die die Biodiversität erhalten, mehr zu zahlen. Oft fehlt allerdings die Transparenz von Produktionsbedingungen für Verbraucher*innen. Das kann die Digitalisierung verändern. Indem ein digitales Tool wie das DAKIS Produktionsbedingungen potenziell rückverfolgbar macht, kann es Landwirtschaft und Verbraucher*innen näher zusammenbringen und das Vertrauen in die Landwirtschaft stärken. Auch hier sind übrigens die passenden rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz der technischen Innovationen nötig, wenn wir beispielsweise an Tracking- oder Blockchain-Technologien denken.

Das Interview führte Julia Walter.

Zu diesen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt DAKIS bei: