Wie Agrarproduktion unabhängig vom Klima wird

09.11.2022
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Prof. Christian Ulrichs (links) und Dr. Zoltan Ferenczi (rechts) von der Humboldt-Universität zu Berlin koordinieren das Konsortium CUBES Circle von
Prof. Christian Ulrichs (links) und Dr. Zoltan Ferenczi (rechts) von der Humboldt-Universität zu Berlin koordinieren das Konsortium CUBES Circle von "Agrarsysteme der Zukunft".

Extremwetter, Bodenerosion, Artensterben: Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor massive Herausforderungen. Indoor-Produktionssysteme sind eine Möglichkeit der Anpassung an den Klimawandel, da sie die Erzeugung von Nahrungsmitteln unabhängig von Feld und Wetter machen. Das Konsortium CUBES Circle forscht an einem solchen System. Projektkoordinatoren Prof. Christian Ulrichs und Dr. Zoltan Ferenczi von der Humboldt-Universität zu Berlin erklären den Ansatz im Interview.

Auf welche Herausforderungen durch den Klimawandel reagiert die Forschung Ihres Konsortiums?

Christian Ulrichs: Der Klimawandel verändert Ernährungssysteme und bedroht die globale Ernährungssicherheit. Klimabedingte Katastrophen wie z. B. Dürren, Hitze- und Kältewellen, Extremniederschläge und Überschwemmungen gehören schon heute zu den stärksten Einflussfaktoren für Armut und Ungleichheit weltweit. Unser Konsortium forscht deshalb an geschlossenen Agrarsystemen, die vom Klima unabhängig sind und gleichzeitig einen geringen CO2-Fußabdruck haben, sodass sie den Klimawandel nicht verstärken. Unser System CUBES Circle wird nah an den Verbraucher*innen in Städten und stadtnahen Gebieten etabliert, es lässt sich dabei an unterschiedliche Standorte und Bedarfe anpassen. So kann unsere Nahrungsmittelproduktion resilienter werden, gerade auch in Regionen, die besonders stark unter dem Klimawandel leiden.

Wie sieht die Lösung konkret aus, an der Ihr Konsortium forscht?

Ulrichs: Wir kultivieren Fische, Pflanzen und Insekten für die menschliche Ernährung und zwar in einzelnen Modulen, den CUBES. Die CUBES vernetzen wir smart zu einem Gesamtsystem mit praktisch fast geschlossenen Energie- und Stoffkreisläufen, dem CUBES Circle. Für die Produktion in einem CUBES Circle nehmen wir uns die Natur zum Vorbild: Wertvolle Rohstoffe, die am Ende eines Produktionsprozesses übrig bleiben, kommen als Ressourcen in anderen Produktionsprozessen wieder zum Einsatz. Dabei verfolgen wir konsequent einen Kreislauf- und Zero-Waste-Ansatz für alle Ressourcenströme, also beispielsweise für Nährstoffe, Energie und Wasser. Das reduziert die Ressourcenkosten der Produktion deutlich. Treibhausgase wie CO2 werden im Kreislauf genutzt und Emissionen minimiert. CUBES Circle kann so flächensparend und nachhaltig gesunde Nahrungsmittel produzieren.

Von welchen gesellschaftlichen Faktoren hängt es ab, ob diese Lösung funktioniert?

Ulrichs: Gesellschaftliche Normen, Essgewohnheiten und Konsumverhalten sind die wichtigsten Faktoren. Wir rechnen damit, dass potenzielle Produzent*innen und die Öffentlichkeit am Anfang noch unsicher sein werden, weil CUBES Circle etwas ganz Neues ist. Insekten werden aber beispielsweise schon jetzt als sogenanntes „Novel Food“ immer attraktiver. Das liegt zum einen an ihrem hohen ernährungsphysiologischen Wert, denn sie haben einen hohen Eiweißgehalt, sind vitamin- und nährstoffreich. Zum anderen lassen sie sich kosten- und ressourcenschonend züchten. Die rechtlichen Hürden für die Zulassung als neuartiges Lebensmittel sind allerdings noch hoch. Hier braucht es noch viel Überzeugungsarbeit, um die regulatorischen Hürden zu überwinden.

Was muss sich politisch noch tun?

Zoltan Ferenczi: Damit sich kreislauforientierte Produktionssysteme durchsetzen, sollte die Politik die nötigen Subventionen während der Innovation bereitstellen und für die Gesellschaft längerfristig Anreize schaffen. Natürlich soll CUBES Circle im Laufe des gesamten Lebenszyklus – die Errichtung der Anlage eingeschlossen – rentabel werden und für Investoren und Unternehmer lukrativ sein, damit sich die Technologie verbreiten kann.

Wie werden die Ergebnisse Ihrer Forschung den Alltag der Menschen verändern?

Ferenczi: Menschen werden frische und gesunde Nahrungsmittel beziehen, die nicht um den halben Globus gereist sind, sondern in ihrer Nähe und eingebettet in die lokalen Ressourcenströme produziert wurden. Wir glauben außerdem, dass kreislaufbasierte Technologien wie CUBES Circle die Verbraucher*innen dazu anregen können, mehr am Prozess der Nahrungsmittelproduktion teilzuhaben. Das fördert in der Gesellschaft das Denken in Kreisläufen, sodass wir wegkommen von linearen Produktionsprozessen und Landwirtschaft innerhalb unserer planetaren Belastungsgrenzen möglich wird.

Zu diesen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt CUBES Circle bei: